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Pilgerreise Olavsweg von Oslo nach Trondheim Teil 3

30.07.21 19. Etappe: Von Kongsvold über den Gletscher nach Smergarden – ich spüre das pure Leben


Wetter: 3 bis 12 Grad und starker Gegenwind auf dem Gletscher. Am späten Nachmittag kommt die Sonne raus und ich komme an den Fuß des Gletschers.
Tageskilometer: 38 km
Aussortiert: Ladegerät Handy
Noch 170 km bis nach Trondheim. Das ist nun mein Ziel, das mich total durchdringt.


Ich stehe um 5.30 Uhr auf. Verlasse lautlos das Zimmer und packe draußen meinen Rucksack. Meine Schuhe sind annähernd trocken als ich loslaufe, jedoch nur die ersten 100 Meter, dann versinke ich erneut im tiefen Moor.

  1. Lektion: Ein konkretes Ziel gibt Kraft

    Ich spüre heute die unbändige Kraft ein Ziel zu haben. Bisher war Trondheim weit weg. Ich konnte die Länge und meine Etappen nicht konkret einschätzen, doch jetzt, wo ich den Gletscher hinter mir lasse und nur noch 200 km vor mir habe gibt mir das Ziel Energie. Ein extrem innerer Antrieb ist in mir spürbar. Dabei geht es mir gar nicht darum es nicht mehr abwarten zu können anzukommen. Sondern tatsächlich das Ziel zu erreichen.
    Ich freue mich auf den Weg dahin und fokussiere mich auf das was vor mir liegt.

    Ich trage die dicke Jacke. Wie bin ich nun froh, dass ich sie nicht unnötig mitgetragen habe. Zudem polstert sie meinen Trümmerbruch (von 1989) vom linken Schlüsselbein ab, der durch den Rucksack bereits tiefe blaue Stellen aufweist.

    Heute ist wirklich nur klettern angesagt. Immer wieder bleibt der Rucksack hängen, zieht mich zurück. Ich muss mich neu ausbalancieren. Hier ist wirklich sehr lange niemand gegangen. Ein Weg ist nicht im Ansatz erkennbar.
  2. Lektion: Stelle Dich Herausforderungen, wie Ronja Räubertochter

Ich ziehe mich an Felsen hoch, ich rutsche runter, stehe im eiskalten Wasser bis zu den Oberschenkeln, gehe unterm Wasserfall durch und über den nächsten Fluss. Ich springe über Steine und das alles an der Felskante.
Ja, ich bin nass geschwitzt, von innen und nass von außen.
Ja, ich ächze und stöhne, manchmal fluche ich, wenn ich mich an der nächsten Felsklippe mit aller Kraft hochziehe oder versuche ’sicher‘ einen Fels hinunter zu springen.
Ja, ich rutsche ab, fange mich im Sturz ab, ich lache, fühle mich so quicklebendig obwohl ich weiß, dass dies gerade richtig gefährlich ist.
Ja, ich falle und stehe wieder auf. Ich spüre das Adrenalin im Blut vom Sturz.
Ich springe zum nächsten Stein, doch er hält nicht was er verspricht, er kippt weg, ich versuche irgendwie in Balance zu bleiben, mal gehe ich baden, mal gelingt es gleich weiter zu springen. So probiere ich den nächsten Schritt, den nächsten Stein, den nächsten Abhang. Ja, es gibt immer einen Weg.

Ja, alle meine Sinne sind wachsam, ich bin absolut fokussiert und so anstrengend, wie es ist, fühle ich mich wohl.

Ich gehe darin auf, habe Spaß, genieße es, lache und bin unbeschwert und glücklich. Zudem übe ich, wie Ronja Räubertochter, mich vor dem Höllenschlund zu fürchten. Es ist wunderbar befreiend und ich spüre meine ganze Power. Wow, wie ist das gut.
So viel Lebenslust in mir.
Ja, das Leben ist unendlich schön.
Ich – hier alleine, gefordert in der Natur, fühle mich frei wie ein Kind. Durch und durch glücklich, lebendig, energetisiert.

Ich denke an die ‚Slowmotion‘ Pilger, die jetzt entspannt durchs Tal an der E6 entlang laufen und prüfe, ob ich den schweren Weg gehen will. Im Guide wurde gewarnt, dass dieser Weg unbegehbar wäre, wenn es geregnet hat. Und es hat die ganze Nach geregnet und nieselt weiter vor sich hin.

Ich höre in mich hinein: Mache ich es mir unnötig schwer?
Ich komme zu dem Entschluss: Nein, ganz und gar nicht. Ich erlebe eine atemberaubende Natur. Ich befinde mich zwischen Nebel und Wolken und fühle mich frei und voller Tatendrang. Also ist das genau richtig für mich.

Jeder darf seinen Weg gehen. Keiner ist besser oder schlechter. Wir brauchen Vielfalt in jeder Hinsicht. So freue ich mich über mein Leistungsvermögen und lasse die anderen entspannt ihren Weg, ihr Tempo, ihren Rhythmus finden. Ich bin glückselig mit meinem.

Hier gehe ich keinen gemachten Weg, auch keinen Pfad, nicht einmal ein Trampelpfad. Nein, hier ist es nur mein Weg, den ich finde und gehe. So wie ich oftmals Vordenkerin bin und in meinen Change Prozessen mutig vorausgehe und für andere den Weg ebne…

Irgendwann wird der Gletscher wieder zahmer. Ich komme an einer kleinen Alm vorbei. Leider kein Einkehren möglich. Ich gönne mir trotzdem eine kurze Rast.

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Ich habe meine Brille auf dem Gletscher verloren. Alles Suchen half nichts. Es hat geregnet, ich trug das Regen-Cape und es war windig. Irgendwie muss die Brille vom Kopf geweht worden sein, ohne, dass ich es merkte. Jetzt kann ich meinen Guide und das Handy nicht mehr lesen. Eine Ersatzbrille habe ich nicht dabei. Ich dachte, dass ich im Notfall an jeder Ecke einen DM finde und dort eine Brille kaufen kann. Da habe ich mich jedoch richtig getäuscht. Norwegen kennt keinen DM und schon gar nicht an jeder Ecke des Olavsweges.

Eher im Tal befindet sich die Pilgerherberge Ryphusan. Eine einsame Holzhütte im Nirgendwo mit Code und Matratzenlager. Wie bin ich froh, dass mir von Grete und Morten abgeraten wurde hier zu übernachten. Es ist eine Toilette daneben ausgeschildert. Juhu. Das ist ja mal toll eine Toilette auf dem Weg. Kurios war, dass zwei Toilettensitze sich nebeneinander befinden, ohne Trennwand. Wer will denn bitte mit seinem Pilgerbruder oder seiner Pilgerschwester synchron sich erleichtern und das auf dem stinkenden Plumpsklo???

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Ich komme an der wirklich schönen Michaels Kapelle vorbei. Helles Holz, große Glasfront in die Natur, türkisfarbenes Kreuz. Ich halte inne und erfreue mich an diesem schönen Tag.

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Meine Füße schmerzen die letzten Kilometer außerordentlich, als endlich, der sehr einfache Campingplatz Smergarden in Sicht kommt. Ich erhalte mal wieder die kleinste Holzhütte der Welt. Die Tür ist wieder wie im Stall zweigeteilt. Die Matratze und das Kissen vielfach gebraucht ohne Bezug, viel Getier…. Die Gemeinschaftsdusche und Toilette sind wenig einladend. Hilft nichts, auch da muss ich durch. Fließend Wasser ist ein kostbares Gut. Am Kiosk gibt es nur Eis oder Chips. Meine mitgebrachte Reistasse, die ich mit Wasser überbrühte, machte mich nicht satt. So gab es Chips danach.

Ich bin wie jeden Tag völlig erschöpft. Auch wenn ich glücklich bin, ist der Körper ausgelaugt. Die letzten Tage war ich ganztägig durch und durch nass. Dadurch habe ich unzählige Blasen an den Füßen. Die guten Falke-Socken schützen davor sehr gut, doch die hochwertigen norwegischen Wandersocken halten nicht was mir versprochen wurde.
Nun brauche ich doch noch mein Blasenpflaster. Fast hätte ich es aussortiert.

Nach wie vor kann ich nachts kaum schlafen, obwohl mir gar nichts im Kopf herumgeht. Es ist der Körper der nicht zur Ruhe kommt.

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31.07.21 20. Etappe: Von Smergard über Oppdal und weiter nach Havdal. Leider waren keine Unterkünfte frei und ich wurde 17 km nach Meslo Gard gefahren.

Wetter: 8 Grad, windig, bewölkt
Tageskilometer: 37 Km und 17 km mit dem Auto
Aussortiert: Mütze – das Stirnband reicht aus

Die letzten Tage bin ich immer in nassen Schuhen gegangen. Meine Blasen an den Füßen schmerzen. Ich klebe 4 weitere Pflaster auf, packe zusammen und laufe heute erst um 8.45 Uhr los. Ich bin froh das Blasenpflaster nicht aussortiert zu haben. 

Oppdal ist ein typischer Skiort mit kleinen Läden und vielen Sportgeschäften. Ich kaufe in einem Supermarkt Obst und Nüsse. Ich brauche ein paar Vitamine. Die Himbeeren esse ich direkt beim Laufen. Ich komme zu einem großen Café mit Bäckerei. Juhu, zum ersten Mal echte Brötchen mit Avocado und Gemüse belegt und frisch gepressten O-Saft. Was für ein Fest für meinen Körper. Heute wird auf Vorrat gegessen. Ich kaufe noch so 2 gedrehte leckere süße Teilchen, die hier Nationalgericht sind und freue mich des Lebens.

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Im Café klebe ich noch 4 Blasenpflaster auf und hoffe so gut durch den Tag zu kommen. Viel hilft viel und doppelt geklebt hält besser. Zudem soll es ein Shopping-Center geben mit einem Optiker. Eine Brille wäre perfekt. Einen Optiker gibt es nicht, jedoch hat die Apotheke eine Ersatzbrille. Wunderbar, ich kann wieder meinen Guide lesen.

Es gibt eine, wie gestern, herausfordernde Strecke. Ich prüfe wieder einen Stein, ob er hält, was er verspricht. Manchmal sind die Steine aber auch zu weit weg und ich muss vertrauen, dass er passt. Doch diese Unwägbarkeiten machen mir Spaß, geben mir Energie und scheinbar liebe ich die Herausforderung.

  1. Lektion: Fehltritte sind Teil des Wegs

So ist es auch im echten Leben. Wie oft weiß man, dass der Weg schwierig ist und setzt sich Haltepunkte bzw. Meilensteine. Ob sie jedoch halten, was man von ihnen erwartet ist nicht immer gewiss. Manchmal geben sie einem Halt, manchmal bringen sie einen ins Wanken und ab und zu wird man auch fallen. Wichtig ist es zu wissen, nicht im Sumpf stecken zu bleiben, denn es gibt jede Menge Steine, die gerne Halt geben. Ja, das Fallen tut weh, vielleicht gibt es Verletzungen, man wird nass oder dreckig, vielleicht ist unser Glanz dadurch nicht sichtbar.
Doch das alles sollte uns nicht hindern wieder aufzustehen, erneut zu vertrauen und gute Erfahrungen zu machen. So gehen wir aus jeder Krise gestärkt hervor.

Es ist kein Drama daneben zu treten, ins Wasser zu gleiten, im Morast zu versinken. Es ist möglich aufzustehen, sich umzuschauen, die Schönheit der nächsten Chance zu entdecken und sich neu auszurichten…

Der Weg wird ein Schotter-Feldweg. Ewig lang geradeaus, keine Höhen, keine Tiefen, ohne Unterbrechung, ohne Kirche oder Sehenswürdigkeiten, nur dunkler Himmel, kalter Wind und tristes Wetter – bringt trübe Gedanken.

Es ist kein Ziel und keine Unterbrechung zu sehen. Ich denke an den Straßenkehrer Beppo aus der Geschichte ‚Momo‘, wie er immer nur den nächsten Besenstrich macht und sich darauf konzentriert und nicht dauernd auf den unendlich langen Weg schaut…

Stunde um Stunde vergeht, km um km komme ich voran. Ich habe heute einen Schnitt von 5km/h. Den Besten, den ich auf dem Weg je hatte.
Landschaftlich ist alles Wiese und Schafe. Einheimische haben hier ihre Ferienhäuser stehen für den Winter. Zudem werden fleißig neue Feriensiedlungen gebaut. Es kommen immer wieder Baustellen-Fahrzeuge vorbei. Mich stört der Lärm der Autos, des Baggers, der ein Fundament aushebt, ein Privatjet, ein Holzfäller…

Nach der außergewöhnlichen Stille auf dem Gletscher, die mich berauscht hat, will ich nur Natur pur. Ich will dieses ausbalancierte außergewöhnliche Öko-System wahrnehmen, mit allen Sinnen.
Seltsam, normalerweise bin ich überhaupt nicht geräuschempfindlich.

  1. Lektion: Es findet sich immer eine Lösung

    Die Blasen an den Füßen spüre ich bei jedem Schritt.
    Der Weg zieht sich wie Kaugummi, obwohl ich heute schnell bin. Um 17 Uhr komme ich an die erste von 4 Herbergen. Sie ist geschlossen. Ich laufe zur nächsten, diese ist ausgebucht. Die folgende ist auch geschlossen. Es ist inzwischen 18.30 Uhr ich rufe bei der Letzten an. Sie ist ausgebucht und da ist auch nichts zu machen.
    Die nächste Unterkunft kommt in 17 km. Dazwischen kein Hof oder privates Haus. 17 km schaffe ich heute nicht mehr. Ich rufe trotzdem an. Sie haben noch ein Zimmer frei oder den Stall. Ich frage nach einem Taxi. Das gibt es hier im Nirgendwo nicht. Sie selbst ist diese Woche auf der Alm Kühe melken. Sie hat eine deutsche Pilgerhilfe, die hat aber kein Auto. Ich rufe im ausgebuchten Gästehaus an und erkläre meine Not. Er bietet mir an, dass seine Frau mich fährt. Was habe ich für ein unbeschreibliches Glück. Sie ist zwar genervt und sagt es sollte mir eine Lehre sein und dass ich besser immer einen Tag zuvor buche. Ich nehme es mir zu Herzen. Gerade, wenn ich von der km-Anzahl bis an meine Grenze komme.

Mein Vorsatz: morgen früh rufe ich für die Übernachtung morgen Abend an. Obwohl ich meine Freiheit so sehr liebe und spontan entscheiden möchte. Ich habe zudem meine Bestätigung zu meinem Lebensmotto: Es findet sich immer eine Lösung.

So komme ich per Auto bei Meslo Gard an und bin glücklich als Marita mir erklärt, wenn ich im Haus schlafe, hätte ich Etagen-Toilette, Wasser und Bettwäsche sowie Abendessen und Frühstück. Das mache ich und nein, ich bin ganz sicher, ich will nicht günstiger im Stall schlafen. Das hatte ich jetzt wirklich oft genug.

Ich gehe duschen und Wäsche waschen. Es gibt sogar einen kleinen Föhn – Luxus pur. Dann gehe ich direkt zum Essen. Ein dänisches Ehepaar schläft im Stall und isst mit mir zu Abend. Sie sprechen deutsch. Sie sind bereits 6 Caminos gewandert und bestätigen, dass der Olavsweg mit Abstand die härteste Tour ist. Sie gehen maximal 15 km pro Tag und schlafen im Zelt, wenn es keine Unterkünfte gibt. Sie sind bereits 6 Wochen unterwegs…

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Es gibt einen Salat als Vorspeise, dann eine Kartoffelsuppe und als Dessert Vanilleeis mit gelben, leckeren Molte-Beeren, die es in Europa nur in Norwegen geben soll. Pro Pflanze wächst nur eine Beere. Sie wachsen nur wild und wurden von den Nichten der Herbergsmutter gepflückt. Sie sehen gelb wie Physalis aus, haben aber einen blütenartigen Kopf. Ich finde sie sehr lecker.
Meine Blasen schmerzen auch im Ruhezustand. Ich bin gespannt, wie ich morgen gehen kann.

01.08.21 21. Etappe: Von Meslo Gard über Jutulstuggu weiter zur Anhöhe Vatasletta und Rennebu Kirke in Voll. Weiter geht es zum Pilger-Cafe Ry und über Medal nach Skogheim

Wetter: Regen mit wenigen Unterbrechungen, 5 Grad
Tageskilometer: 42 km
Aussortiert: Gamaschen – viel zu groß

Ich werde um 5.30 Uhr wach und kann nicht mehr schlafen. Meine Blasen an den Füßen schmerzen weiterhin. Noch mehr Blasenpflaster macht keinen Sinn, ich habe die meisten Stellen bereits doppelt beklebt.

Verzweifelt versuche ich nach Übernachtungsmöglichkeiten zwischen 25 bis 30 km zu suchen, aber nichts zu machen. 15 km oder 42 km. So geht das jetzt bis Trondheim. Das ist wirklich nervig. Da es auch noch stark regnet bin ich unentschlossen…

Mein Rucksack ist gepackt. Ich verwende heute mal die wasserfesten Gamaschen. Dachte ich, allerdings sind diese viel zu groß für meine Füße und Beine. Aussortiert. Hätte ich daheim auch mal ausprobieren können…

Ich laufe am Orkla Fluss entlang über Wiesen und Felder. Meine Füße, Schuhe und Hosen sind nach wenigen Minuten komplett nass. Mal sehen, was die Blasen an den Füßen im Laufe des Tages dazu sagen…

Die Anhöhe Vatasletta gibt die Sicht auf das Orklatal frei, steht in meinem Guide. Dort ist jedoch alles so zugewachsen, dass ich dafür viel Fantasie benötige.
Hier haben die Wikinger seit 770 Signalfeuer entzündet, um vor Unfrieden und Eindringlingen zu warnen. Diese Nachrichten wurden von hier überraschend schnell nach Trondheim bis Oslo übertragen. Unglaublich.

Die Rennebu Kirke in Voll ist die älteste der 5 erhaltenen Y-Kirchen. Sie wurde 1669 erbaut. Der dänische Architekt T. Bülche hatte die Idee das neue Gotteshaus als Y zu erbauen, weil es für das Wort Gottes die deutlich bessere Akustik hat. Das gleichseitige Dreieck im Mittelpunkt symbolisiert die Dreifaltigkeit. Das mittelalterliche Kreuz stammt aus der Vorgängerkirche aus dem 12. Jahrhundert. Wie üblich ist die Kirche geschlossen. Es steht ein Olavsstein davor. Nur noch 101 km 🙂

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Lustig ist die Säge mitten im Wald. Wenn dann mal gar nichts mehr geht, kann ich mich damit den Weg frei sägen.

Das Bauernhaus Ry stammt aus dem 16. Jahrhundert. Es bietet ein Café. Welch Rarität auf dem Weg. Ich mache eine Rast. Es gibt frische Waffeln und ein Stück Apfelkuchen mit Kräutertee.

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Im Café findet auch noch eine Kunstaustellung statt. Über Kunst lässt sich allgemein streiten. Über diese extrem kitschige Kunst aus den 80er Jahren jedoch nicht. Ohne Worte. Ich setze meinen Weg fort.
Es regnet weiterhin. Meine Füße sind ziemlich kalt, aber entspannt. Ich habe sogar das Gefühl die Blasen sind weit weniger schmerzhaft als gestern.

Die Pilgerherberge ist als solche nicht gleich zu erkennen. Sie befindet sich im Nachbargebäude vom Haupthaus. 2 Schlafzimmer, 1x mit 2 Betten für zwei deutsche Frauen und ein Schlafzimmer mit 4 Betten (Stockbetten) für mich. Wieder sind die Fenster nicht 100% zu schließen, weil sie verzogen und kaputt sind. Wir machen die elektronische Heizung an, die für das gemeinsame Wohn- und Esszimmer viel zu klein ist. Im Bad ist es eisig kalt. Egal, ich gehe heiß duschen. Warm anziehen danach und Wäsche waschen. Es gibt sogar einen kleinen Trockenraum.
Wir drei essen zusammen unser dürftiges, mitgebrachtes Pilgeressen (1 Banane, 80g Erdnüsse) und unterhalten uns angeregt.

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Ich habe mich entschieden den Rest des Weges in 2 Etappen zu gehen. Das bedeutet nur noch morgen in einer Pilgerherberge schlafen und dann in Trondheim ins Hotel. Ich buche beide Unterkünfte. Ein klares Pilger-Ziel für den Abend lässt mich nun täglich konkret die körperliche Leistung abrufen, die ich dafür benötige. Mir macht das Laufen Spaß. 

Es bedeutet außerdem, dass ich ähnlich lange Etappen wie die letzten 3 Tage gehen muss. Ich weiß, das wird hart. Keine wirklichen Pausen, früh aufstehen und laufen, laufen, laufen bis in den Abend hinein.
Gerade bei dem Wetter. Der Pilgervater meint nur, dass dies das normale Sommerwetter in Norwegen wäre. Was hatte ich am Anfang für ein Glück.

Je näher das Ziel rückt umso mehr möchte ich ankommen und den Weg und mein Vorhaben beenden, obwohl ich noch Zeit hätte. Aktuell findet bis einschließlich Dienstag die Olavswoche in Trondheim im Dom statt. Hier gibt es tägliches Programm. Einerseits habe ich die Idee etwas zu verpassen in Trondheim, wenn ich nicht bis Dienstag dort bin. Auf der anderen Seite will ich mich von nichts hetzen lassen.

Ich fülle mir heißes Wasser in meine Trinkflasche (wie die letzten 3 Tage bereits) – das war der Tipp meiner backpack-erfahrenen Tochter, damit ich mich aufwärme im Schlafsack.



02.08.21 22. Etappe: Über Lokken Verk nach Svorkmo. Danach über Gumdal (bis dahin 13 km) gut 21 km nach Skaun durchs Moor

Wetter: Regen mit wenigen Minuten Unterbrechung. Nasse Füße bis zu den Knie
Tageskilometer: 34 km
Aussortieren: Handschuhe

Ich werde wie immer um 5.30 Uhr wach. Bleibe bis 6 Uhr liegen. Ich esse eine Banane und mache alles in Zeitlupe, weil es in Strömen regnet.

Um 6.45 Uhr breche ich im Regen-Cape auf. Der Weg ist schön. Es gibt viele reife Himbeeren am Wegesrand zu naschen, frisch vom Regen abgewaschen.

Ich komme gut voran. Die ersten 3 Std. einen 5km Schnitt. Es tut nichts weh, der Rucksack ist leicht, denn die Jacke und das Cape trage ich am Körper. Nur 2 l Wasser, weil ich bei der Kälte deutlich weniger trinke. Zu Essen habe ich nur noch einen Riegel und ein paar Erdnüsse dabei.
In Lokken Verk wollte ich frühstücken. Allerdings gab es nur einen kleinen „Supermarkt“. Wir würden es Kiosk nennen. Darauf hatte ich keine Lust. Ich esse alle meine Vorräte nach und nach auf.

In Svorkmo standen seit dem 17. – 20. Jahrhundert Schmelzhütten der Kupferminen. Ein Denkmal erinnert daran. Davor steht der 61 KM-Stein nach Nidaros.

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Heute ist mein Weg gesäumt von Wald-Himbeeren, Heidelbeeren und Moltebeeren. Ich nehme mir mehr Zeit als sonst welche zu pflücken. Das ständige Bücken mit dem Rucksack auf dem schwierigen Untergrund macht dies zu einem Balanceakt. Ich lasse mir diese Köstlichkeit auf der Zunge zergehen.

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Trotz dem trüben Wetter bin ich richtig gut drauf…
Nur noch einmal in einer Pilgerherberge schlafen.
Nur noch einmal Wäsche mit der Hand waschen.
Nur noch einmal schauen, wie ich an Essen komme.
Nur noch einmal frieren in der Nacht.
Nur noch einmal das ganz einfache Pilgerleben, hoffentlich mit Strom und sanitären Einrichtungen.
Wie sehr ich mich auf einen guten Standard in der Unterkunft freue…

Schon um 15.30 komme ich in Skaun an der Kirche an. Gegenüber steht das Gemeindehaus. Hier werde ich wohl schlafen. Wie üblich rufe ich die entsprechende Rufnummer an. Es gibt keinen Code, er kommt sofort (in 30 Minuten) vorbei. Es sind weiterhin nur 3 Grad. Durch das Laufen bin ich geschwitzt. In der Wartezeit im Regen wird mir richtig kalt.
Das Gemeindehaus hat einen Saal mit Matratzen, ein Waschbecken, eine Toilette, keine Heizung. Immerhin.
Ich gehe im Supermarkt nebenan ein Risotto zum Anrühren mit Wasser kaufen und 2 Brötchen und Käse für morgen. Ich mache mir das Risotto. Ich brauche etwas Warmes. Ich bin durchgefroren.
Inzwischen sind die 3 anderen Pilger auch da. Um 19 Uhr bekommen wir eine Führung durch die Kirche. Danach richte ich mein Schlafsack, mache erneut heißes Wasser in meine Trinkflasche und wärme mich daran im Schlafsack.

03.08.21 23. und letzte Etappe – Ankunft in Trondheim


Von Skaun nach Buvik und weiter nach Oysand. Scheitere beim Fährmann (erinnert mich an „Kleiner König Kalle Wirsch“) und nehme stattdessen die Brücke vorbei am Olympia-Zentrum zum Dom nach Trondheim

Wetter: Bewölkung 8 Grad, kein Regen
Tageskilometer: 39 km
Aussortiert: kleines Handtuch

Um 5.00 Uhr werde ich wach. Hellwach. Ich höre die anderen schlafen. Um 5.30 Uhr halte ich es nicht mehr aus. Ich mache mich fertig, packe zusammen, besinne mich auf die heutige, letzte Route und um 7 Uhr gehe ich los.

Kurz nach Skaun kommt das Husaby-Museum. Die Überreste vom Hof Einar Tambarskjelve, erinnern an Olavs Zeiten. Hier stand die Vorgängerkirche von 1040.
Sigrid Undset, die berühmteste norwegische Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin, erzählt (und verfilmt) in dieser schönen Landschaft ihr Buch „Kristin Lavransdatter“.

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Es geht durch Moor und Wiese. Nass, aber sehr schön.
Das Dorf Bovika passiere ich nur. Bei Melhus empfiehlt mein Buch den Fährmann für die Überfahrt zu kontaktieren. Was ich auch tue. Es ist zu früh, es nimmt niemand ab. Ich laufe weiter und vertraue auf den Fährmann.
Kurz zuvor erreiche ich jemanden und erfahre, dass 2021 nicht gerudert wird. Also wieder zurück und über die Brücke.

Danach geht es sehr steil bergab. Am letzten Tag noch einmal schauen was geht.
In der Heidelandschaft ein Olavstein, nur noch 14 km. Die Wegbeschriftung ist so schlecht, dass ich für die letzten km Google benötige.

Es kommen unzählige Sportler auf Sommerski, also mit Rollen vorbei gesaust. Es ist großartig. Ich schaue eine Weile zu, weil ich auf dem Olympia Zentrum gelandet bin und diese Straßen als Sommertraining der Olympia Teilnehmer ausgelegt sind. Ich bin begeistert. Die riesige Tribüne ist leer. Die Zeiten der einzelnen Abfahrer werden angezeigt. Hier könnte ich den Rest des Tages bleiben und zuschauen. Doch ich habe ein anderes Ziel und reiße mich los.

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Das weitere Umfeld (die letzten 6 km) von Trondheim ist nicht außergewöhnlich schön. Es geht durch ein Wohngebiet bergab.
Mäßiger Verkehr. Wieder Roller und Fahrräder. Und dann über die Brücke des Flusses Nidelva in die Altstadt.

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Der Dom erscheint. Ich laufe am Dom entlang zum Pilgerzentrum welches direkt an den Friedhof anschließt.
Es lädt als Café sehr viele Gäste ein. Die Terrasse ist voll. Ich gehe hinein. Eine junge Frau begrüßt mich, fragt wie lange ich gelaufen bin, wie es mir geht, was mir wichtig war…. Sie ist total begeistert. Wenn die das bei jedem ankommenden Pilger so machen, dann Respekt. Ich sollte mit der Stecknadel auf der Weltkarte meinen Heimatpunkt markieren. Ein Zielfoto vor der Karte und viele Fragen für die Pilgerstatistik beantworten, dann wird der Olavbrev ausgestellt und der Pilgerpass mit den letzten beiden Stempeln versehen. Ein goldenes Siegel wird aufgeklebt, damit gibt es diverse Vergünstigungen in der Stadt.
Ich kaufe mir einen Tee und ein süßes Irgendwas und setze mich raus in die Sonne, die sich kurz blicken lässt.

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Gestärkt gehe ich zum Dom. Nun habe ich kostenlosen Eintritt als Pilger. Ein wirklich sehr schöner Dom. Nationalheiligtum oder auch das Herz Norwegens genannt.
Seit 1152 war der Ort der Grablege König Olavs zuerst katholisch, später protestantische Bischofskirche und im Mittelalter sowie zwischen 1818 und 1906 Krönungskirche.
Olav wurde bereits 1 Jahr nach seinem Tod heiliggesprochen und sofort kamen die Pilger. Die kleine Holzkappelle (1070-1090) wurde zu einer Steinkirche und 100 Jahre später die Kathedrale, die 1320 bereits fertig war, trotz der wenigen Monate Bauzeit pro Jahr, da sie sich fast am Polarkreis befindet und der lange Winter alles stilllegte.
Ich buche für 7 Euro einen Zeit-Slot um 172 extrem schmale, jedoch hohe Stufen in den 2. Stock und dann aufs Dach des Doms zu klettern. Der Aufgang ist so schmal, dass ich seitlich aufsteigen muss. Die Aussicht auf Trondheim ist sehr schön. Es durfte kein Gebäude höher als der Dom gebaut werden, so sieht man den Trondheimfjord. Er ist mit 130 Kilometer Länge der drittlängste Fjord Norwegens. Und rundum die restliche Stadt. 

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Ich zünde, wie immer, für meine Familie Kerzen an. Heute auch für meine Ahnen, Freunde, meine Mitarbeiter, meine Kunden.

Hinter dem Altar befindet sich ein Gang, dort wiederum eine Nische mit Holzaltar. Hier soll Olavs Grab gewesen sein. Ich setze mich einen Moment. Ich bin gerührt und irritiert. Was ist es was mich so emotional macht? Olav ist zwar heiliggesprochen, doch das bedeutet mir nichts. Sein Leben war keinesfalls vorbildlich. Ich bin den Weg auch nicht wegen ihm gegangen. Was ergreift mich dann? Ich lausche der Stille…
Weil ich am Ziel angekommen bin? Nein, daran habe ich nie gezweifelt.

Weil es herausfordernd war? Nein, nicht so heftig wie gedacht.

Ich weiß es nicht und kann es auch nicht ergründen. Ich hänge meinen Gedanken nach…
Ich bin angekommen. 

Ich laufe über den Kunsthandwerker Markt, der um den Dom zur Olavsfestwoche stattfindet. Weiter über die alte rote Holzbrücke Gamle Bru. Die bunten, ins Wasser gebauten Holzhäuser geben ein traumhaft idyllisches Bild ab. Weiter zu den kleinen Cafés, die alle voll sind. Ich entscheide mich dafür das Hotel zu suchen, den Rucksack abzustellen und mein Handy kurz zu laden.

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Um 15 Uhr ist für die Pilger eine Messe im Dom. Die Pilger, die gestern nach 15 Uhr und heute bis 15 Uhr eingetroffen sind (es waren 28) treffen sich draußen, werden von der Bischöfin und zwei Priestern abgeholt. Mit einer alten Laterne geht ein Ministrant voraus und wir halten in einer langen Reihe Einzug in den Dom. Als Letzte begleitet diesen Zug eine Querflöten-Spielerin und untermalt das ganze musikalisch. Die Dom-Besucher stehen Spalier. Damit hätte ich nicht gerechnet.

Das war schon etwas Gänsehaut.

So wäre es im Mittelalter gewesen. So zerschlissen, wie wir Pilger aussehen, hat das bestimmt Ähnlichkeit. Wir gehen nach vorne zum Alter. Eine Pilgerin darf die 4 Kerzen anzünden und wir werden gesegnet.

Im Seitenschiff feiern wir zusammen einen Gottesdienst. Es wird alles in Englisch übersetzt. Allerdings bin ich heute die einzige Nicht-Norwegerin.

Im Anschluss laufe ich auf die Festung hoch. Die Festung Kristiansten wurde nach dem großen Stadtbrand von Trondheim 1681 erbaut. Dann ließ König Christian der 5. einen neuen Stadt- und Befestigungsplan erstellen, der verhindern sollte, dass ein Feind die Stadt niederschießen konnte. Kristiansten war ein wirksamer Wächter der Stadt, bis sie 1816 als aktive Militäranlage geschlossen wurde. Heute erscheint sie als Norwegens besterhaltene Turmfestung aus dem 17. Jahrhundert mit dem markanten Bergfried, der von der ganzen Stadt aus sichtbar ist.
Ich treffe Deutsche, die vor 15 Jahren nach Norwegen, jedoch nach Bergen ausgewandert sind. Sie genießen das Land sehr.
Mein Handy Akku ist schon lange leer. Ich finde den Weg zurück ins Hotel, wollte mich duschen und noch mal raus gehen, doch ich bin so müde, dass ich mir nur noch einen Plan für morgen zurechtlege und um 23 Uhr in einem einfachen Hotelbett einschlafe.

Fazit:

Ich werde hier oft bezüglich meines Alters geschätzt, in Museen, in Pilgerherbergen, von Pilgern und bin erstaunt, wie jung man mich schätzt. Entweder liegt es an der Natürlichkeit, weil hier nur Wasser und Seife an meine Haut kommt.
Oder am täglichen draußen in der Natur sein.
Oder am entspannt sein und Dauergrinsen und Dauerfröhlichkeit die mich hier erfüllt und mich glücklich macht, trotz der Anstrengung.

Auch werde ich nach speziellen Erkenntnissen auf meinem Weg gefragt. Nein. Keine spezielle Erkenntnis kam über mich. Ich habe über Dinge nebenbei nachgedacht, habe das ein oder andere reflektiert und losgelassen und anderes verinnerlicht.

Vielleicht folgendes:
Ich genieße das Hier und Jetzt. Ganz und gar. Meine Kraft und Energie entspringt der Natur.
Ich bin ein Sonnenkind. Die Sonne tankt mich auf und erfüllt mein Herz mit Freude.
Ich spüre eine starke Kraft in mir, körperlich wie mental. Ich bin schnell, mutig entscheidungsfreudig, nehme lieber den eigenen als den ausgetreten Weg. Ich verzeihe mir Umwege, entdecke in vielem einen Sinn und eine Schönheit. Ich kenne mich gut, kann mich einschätzen, bin ehrlich zu mir und gehe gerne an meine Grenzen. Beständige Gleichförmigkeit beginnt mich leicht zu langweilen.

Missgeschicke:
Ich stehe in Skaun, auf meiner letzten Etappe vor der Kirche und warte darauf, dass man mir den Gemeindesaal öffnet für die Nacht. An der Kirche hängt ziemlich hoch und schief ein Pilgerbriefkasten. Vielleicht ist mal wieder ein Stempel für den Pilgerpass drin. Ich öffne ihn, schaue hinein und entdecke Flyer und will hinein greifen, da fällt die schwere, hölzerne, scharfkantige Briefkasten-Klappe herunter zwischen Stirn und Nasenrücken. Kurz sehe ich Sternchen. Dass so etwas so schmerzen kann. Ich halte mir die Nase und sehe, dass meine Hände blutverschmiert sind. Ich setze mich auf die Bank und mit einigen Taschentüchern wird es weniger Blut. Der ‚Türöffner‘ benötigt 45 Minuten bis er eintrifft. Bis dahin geht es wieder. Eine deutliche Schramme habe ich mir zugezogen.
Lektion: Bleibe stets achtsam, auch wenn Du am Ende einer Etappe angelangt bist.

Mindestens einmal am Tag bleibe ich abrupt stehen, bin geflutet von der Weite, der Schönheit der Natur, dem Gleichgewicht…Ich breite die Arme aus und rufe laut – aus tiefer Seele – in die natürliche Einsamkeit und Stille ‚Ich spüre die Kraft der Erde. Ich spüre die Kraft der Natur. Ich spüre die Wurzeln die mich erden.‘
Ich drehe mich im Kreis, atme tief und bin einfach nur in meiner Mitte. Während ich rufe rinnen mir Tränen des Glücks über das Gesicht.

Norwegen, Du hast alles richtig gemacht. Der Weg ist genau das Richtige.

Ich bin mir wieder ein Stück nähergekommen. Konnte Parallelen zu meinem Leben entdecken:
Wie ich oft auf der Überholspur gehe…
Wie oft bis an den Anschlag gehe, kämpfe, nicht aufgebe, vertraue, dass alles gut wird, Enttäuschungen mich nicht brechen und auch nicht verschließen, ich bleibe weit im Herzen und vertraue erneut, denn ich glaube an das Gute im Menschen und im Leben…
Wie ich das Ziel vor Augen genieße, wie ich darauf zu arbeite, wie mich mein Ziel magisch anzieht und ich mich leiten lasse…
Wie ich die Kraft habe, auch wenn ich manchmal nicht den leichten Weg oder sogar den Umweg wähle.
Nein, ich will nicht den gemächlichen, seichten Weg gehen, mir unendlich viel Zeit lassen, dahin dümpeln, mich nicht spüre, einfach nur tapse…
Ich will mich spüren, meine Kraft und Energie. Ich will mich bewegen. Ich will etwas bewegen.
Ich spüre die Demut vor dem Leben, in diesem Teil der Erde geboren zu sein, indem ich alle Chancen habe durch Schulbildung und größtmöglicher Gleichberechtigung und Freiheit (ja mir ist bewusst, da ist noch Luft nach oben, doch wie viele Menschen auf der Erde haben diese Startbedingungen?)
Ich kann mir diese Auszeit, diese Reise, diese Selbstfindung leisten, was für ein Geschenk, welche Gnade.
So spüre ich beständig echte Demut und Dankbarkeit und bin berührt und energetisiert davon.